Die
Straße ist ruhig, die Reifen rollen, es ist leise, man spürt den Wind. Kaum
eine Kraftanstrengung wird benötigt. Der Häuserzug am Straßenrand kommt
unbekannt vor, obwohl schon so oft aus der gleichen Perspektive gesehen. Mein
Beifahrer sieht glücklich aus. Die Geschwindigkeit ist eine Andere als normal. Die
Straßenzüge verändern sich, sie werden lebendiger. Ich sehe Menschen, Tiere und
Pflanzen. Kleinigkeiten fallen auf. Wir fahren Fahrrad - auf der Straße.
Selbstexperiment
– Critical Mass
Zugegeben,
ich fahre jeden Tag mit dem Rad. Auf dem Weg in die Arbeit, zum Einkaufen, zum
Besuch bei Freunden und um alle restlichen Strecken zurückzulegen. Im Sommer
und im Winter. Noch nie habe ich an einer Critical Mass teilgenommen. Die
Aktion war mir nicht unbekannt und als ich hörte das es diese auch in
Ingolstadt geben sollte, war ich Feuer und Flamme.
Man hört
immer öfter was eine Critical Mass ist, wie sie entsteht, für was sie steht und
wie sie abläuft. Etwas für mich wesentlich interessanteres ist , was passiert
mit mir, wenn ich in einer Gruppe von gleichgesinnten Radfreunden ausnahmsweise
nicht den Autos unterlegen, friedlich durch die Straßen rolle. Verändere ich
mich dadurch?
Eine
Stunde hat die Ausfahrt in Ingolstadt beim ersten Mal gedauert. In dieser Stunde
habe ich etwas erlebt, dass mir vorher so nicht bewusst war. Es fühlt sich an
als hätten die Teilnehmer dies schon oft gemacht. Alles war routiniert. Ein
einziges Mal fühlte ich mich unsicher, bei der Einfahrt in den mehrspurigen Audi
Kreisverkehr am Westpark. Adrenalin. Doch die Masse gibt einem Schutz, man
fühlt sich geborgen wie in einem Vogelschwarm.
Kann
ein Menschenschwarm auf Fahrrädern etwas verändern?
Auf
den großen Straßen im Stadtgebiet wird eigentlich immer zu schnell gefahren. 70
Km/h sind keine Seltenheit. Doch in diesem Moment, als wir auf der Straße
fuhren war dies nicht so. Man nahm Rücksicht. 30-40 km/h auf der Fahrbahn neben
uns war selbstverständlich. Es entstanden sogar Gespräche zwischen den
Verkehrsteilnehmern. Die Scheuklappen die wir sonst auch selbst aufhaben waren
weg.
Aktive
Kommunikation fand zwischen den Radfahrern statt. Jeder Einzelne musste
aufpassen was um ihn herum geschieht und wohin die Masse navigierte. Alles
verlief problemlos und entspannt. Handzeichen beim Bremsen und Abbiegen,
Vorausschauend Fahren, die Geschwindigkeit der Situation anpassen und
Schulterblick sind in der Critical Mass selbstverständlich.
Mit
dem Luxus, ausnahmsweise über perfekten Asphalt zu schweben, neigte sich die
Tour ihrem Ende zu. Die Spitze bog in Richtung Rathausplatz ab und nach einem
kurzen Applaus verabschiedeten sich die Teilnehmer in alle Richtungen. Der
erste Critical Mass Ingolstadts war vorbei. Friedlich, positiv und überraschend
zahlreich.
Auf
dem holprigen Radweg fuhr ich zurück zu meiner Wohnung. Handzeichen gab ich automatisch,
ich fuhr vorausschauend und fühlte mich als gleichwertiger Verkehrsteilnehmer
respektiert. Die Critical Mass hat mich selbst, als Radfahrer zum besseren
beeinflusst.
Critical
Mass Ingolstadt findet am letzten Freitag im Monat um 19 Uhr am Rathausplatz
statt.
Sie ist
eine unorganisierte Aktionsform die spontan auftritt und agiert. Sie ist keine
Aktion der Freunde der Donau. Wir informieren über diese nur, da sie dem Stadtbild
etwas Positives gibt, Menschen auch aus den Nachbarlandkreisen zusammenbringt
und eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Lage ist.
Die Critical Mass ist
nicht gegen das Auto, sie ist eine Aktion für mehr Miteinander und Gleichberechtigung.
Zitat
aus Wikipedia.org:
Critical
Mass (dt. kritische Masse) ist eine international verwendete Form der direkten
Aktion, bei der sich mehrere nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer
(hauptsächlich Radfahrer) scheinbar zufällig und unorganisiert treffen, um mit
gemeinsamen und unhierarchischen Fahrten durch Innenstädte, ihrer bloßen Menge
und dem konzentrierten Auftreten von Fahrrädern auf den Radverkehr als Form des
Individualverkehrs aufmerksam zu machen und „mit dem Druck der Straße mehr
Rechte für Radfahrer und vor allem eine bessere Infrastruktur und mehr Platz
einzufordern“. Darüber hinaus gehe es der Critical-Mass-Bewegung laut Die Zeit
auch um „die Frage, ob öffentlicher Raum nicht dem Verkehr entzogen und ganz
anders genutzt werden sollte“.
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen