Sonntag, 14. September 2014

Park(ing) Day

Das Wort "Parkplatz" stammt von dem französischen Wort "parc" ab. Im 15. Jahrhundert kam es in den deutschen Sprachraum und bedeutet im niederrheinischen Ursprung "eingezäunte Grünfläche zur Hege von Bäumen und jagdbarem Wild". Im 17. Jahrhundert wandelte sich der Begriff um und stand für "umschlossene großflächige Grünanlage zum Schmuck der Schlösser mit Spazierwegen für die vornehme Gesellschaft". Ein Jahrhundert später kam dieser Begriff erneut aus Frankreich in den deutschsprachigen Raum als "parc d’artillerie", was bedeutet: eingehegter Platz für Munition, Geschütze und Wagen. Dies wurde ergänzt durch Artilleriepark, Wagenpark, Fuhrpark (1. Hälfte 19. Jh.), Auto- , Fahrzeug- ,Maschinenpark (20. Jh.). Im Englischen hat das Wort "to park" seine eigentliche Bedeutung: einhegen, einschließen, lagern, deponieren behalten.

"Year by year our cities grow more complex and less fit for living. The age of rebuilding is here. We must remold our old cities and build new communities better suited to our needs."

Lewis Mumford

Auf diese Namensherkunft baut der Park(ing) Day, auf deutsch "Park(platz) Tag" auf. 2005 ging diese Aktion das erste mal in San Francisco über die Bühne. Die Kunstform verbreitete sich um die ganze Welt und fand 2011 in 162 Städten statt.

erster Park(ing) Day in San Francisco 2005
parkingday.org

Der Park(ing) Day setzt sich mit der Nutzung des öffentlichen Raums auseinander. Einmal im Jahr, am dritten Freitag im September, werden von Bürgern, Designern und Künstlern PKW-Stellplätze zu autofreien Bereichen. Temporäre Parks, Picknickplätze, öffentliche Musikzimmer, Sportplätze, Spielplätze, Klassenzimmer, Cafés, Ausstellungen und Plätze der Ruhe entstehen. Diese Bereiche geben Raum für Kommunikation, Muße und Inspiration.

urbancincy.com

Parkplatzdiskussionen werden oft emotional geführt, da sich viele PKW-Halter in dieser Frage persönlich angegriffen fühlen. Diese Emotionalität rückt manchmal die Bedürftnisse der Allgemeinheit in den Hintergrund und eine Verbesserung der Situation wird auf Kosten von lebendigen Plätzen ausgetragen. Der Parkplatz wird als Wundermittel gegen sterbende Innenstädte und als Bereicherung dieser vorgestellt.

 http://www.parkingdaynyc.org/

Der Park(ing) Day fordert keine Umwandlung von Parkplätzen in Parks. Es geht darum, die einseitige Festlegung auf die Nutzung durch parken von Autos zu hinterfragen. Urbaner Raum enthält Nutzungsformen auf engem Raum, die sich widersprechen, als auch ergänzen. Öffentlicher Raum ist begrenzt und wird geteilt. Parkplätze sind das Gegenteil: hoch determiniert und spezialisiert lassen sie andere Nutzungen als lächerlich erscheinen. Ihr Design sorgt dafür, dass hier kaum andere Nutzungsarten in Erwägung gezogen werden. Hier gilt die normative Kraft des Faktischen: Ich habe ein Auto, der Raum sieht aus wie ein Parkplatz, also gilt das universelle Recht auf Parken. Dies hat sich historisch entwickelt, ist aber deshalb lange nicht die einzige Möglichkeit.


http://inhabitat.com

Menschen werden am Park(ing) Day dazu mobilisiert sich mit ihrer Stadt, sich selbst und den begrenzten Raum in Beziehung zu setzen. Für die kleinen Erholungsräume werden Parktickets gezogen und sie verschwinden nach deren ablaufen. Der Zeitraum kann von einer Stunde bis zu einem halben Tag gehen. Jeder ist selber für seinen Park verantwortlich und jeder der mitmachen will kann das.

Ingolstadt ist bereit für den Park(ing) Day am 19.September 2014?!





Entstehung der Ingolstädter Fußgängerzone








Sonntag, 7. September 2014

Vom Schweben über Asphalt

Die Straße ist ruhig, die Reifen rollen, es ist leise, man spürt den Wind. Kaum eine Kraftanstrengung wird benötigt. Der Häuserzug am Straßenrand kommt unbekannt vor, obwohl schon so oft aus der gleichen Perspektive gesehen. Mein Beifahrer sieht glücklich aus. Die Geschwindigkeit ist eine Andere als normal. Die Straßenzüge verändern sich, sie werden lebendiger. Ich sehe Menschen, Tiere und Pflanzen. Kleinigkeiten fallen auf. Wir fahren Fahrrad - auf der Straße.



Selbstexperiment – Critical Mass

Zugegeben, ich fahre jeden Tag mit dem Rad. Auf dem Weg in die Arbeit, zum Einkaufen, zum Besuch bei Freunden und um alle restlichen Strecken zurückzulegen. Im Sommer und im Winter. Noch nie habe ich an einer Critical Mass teilgenommen. Die Aktion war mir nicht unbekannt und als ich hörte das es diese auch in Ingolstadt geben sollte, war ich Feuer und Flamme.

Man hört immer öfter was eine Critical Mass ist, wie sie entsteht, für was sie steht und wie sie abläuft. Etwas für mich wesentlich interessanteres ist , was passiert mit mir, wenn ich in einer Gruppe von gleichgesinnten Radfreunden ausnahmsweise nicht den Autos unterlegen, friedlich durch die Straßen rolle. Verändere ich mich dadurch?

Eine Stunde hat die Ausfahrt in Ingolstadt beim ersten Mal gedauert. In dieser Stunde habe ich etwas erlebt, dass mir vorher so nicht bewusst war. Es fühlt sich an als hätten die Teilnehmer dies schon oft gemacht. Alles war routiniert. Ein einziges Mal fühlte ich mich unsicher, bei der Einfahrt in den mehrspurigen Audi Kreisverkehr am Westpark. Adrenalin. Doch die Masse gibt einem Schutz, man fühlt sich geborgen wie in einem Vogelschwarm.



Kann ein Menschenschwarm auf Fahrrädern etwas verändern?

Auf den großen Straßen im Stadtgebiet wird eigentlich immer zu schnell gefahren. 70 Km/h sind keine Seltenheit. Doch in diesem Moment, als wir auf der Straße fuhren war dies nicht so. Man nahm Rücksicht. 30-40 km/h auf der Fahrbahn neben uns war selbstverständlich. Es entstanden sogar Gespräche zwischen den Verkehrsteilnehmern. Die Scheuklappen die wir sonst auch selbst aufhaben waren weg. 

Aktive Kommunikation fand zwischen den Radfahrern statt. Jeder Einzelne musste aufpassen was um ihn herum geschieht und wohin die Masse navigierte. Alles verlief problemlos und entspannt. Handzeichen beim Bremsen und Abbiegen, Vorausschauend Fahren, die Geschwindigkeit der Situation anpassen und Schulterblick sind in der Critical Mass selbstverständlich.

Mit dem Luxus, ausnahmsweise über perfekten Asphalt zu schweben, neigte sich die Tour ihrem Ende zu. Die Spitze bog in Richtung Rathausplatz ab und nach einem kurzen Applaus verabschiedeten sich die Teilnehmer in alle Richtungen. Der erste Critical Mass Ingolstadts war vorbei. Friedlich, positiv und überraschend zahlreich.

Auf dem holprigen Radweg fuhr ich zurück zu meiner Wohnung. Handzeichen gab ich automatisch, ich fuhr vorausschauend und fühlte mich als gleichwertiger Verkehrsteilnehmer respektiert. Die Critical Mass hat mich selbst, als Radfahrer zum besseren beeinflusst.



Critical Mass Ingolstadt findet am letzten Freitag im Monat um 19 Uhr am Rathausplatz statt.
Sie ist eine unorganisierte Aktionsform die spontan auftritt und agiert. Sie ist keine Aktion der Freunde der Donau. Wir informieren über diese nur, da sie dem Stadtbild etwas Positives gibt, Menschen auch aus den Nachbarlandkreisen zusammenbringt und eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Lage ist. 
Die Critical Mass ist nicht gegen das Auto, sie ist eine Aktion für mehr Miteinander und Gleichberechtigung.

Zitat aus Wikipedia.org:
Critical Mass (dt. kritische Masse) ist eine international verwendete Form der direkten Aktion, bei der sich mehrere nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer (hauptsächlich Radfahrer) scheinbar zufällig und unorganisiert treffen, um mit gemeinsamen und unhierarchischen Fahrten durch Innenstädte, ihrer bloßen Menge und dem konzentrierten Auftreten von Fahrrädern auf den Radverkehr als Form des Individualverkehrs aufmerksam zu machen und „mit dem Druck der Straße mehr Rechte für Radfahrer und vor allem eine bessere Infrastruktur und mehr Platz einzufordern“. Darüber hinaus gehe es der Critical-Mass-Bewegung laut Die Zeit auch um „die Frage, ob öffentlicher Raum nicht dem Verkehr entzogen und ganz anders genutzt werden sollte“.